Neophyten

Erklärung des bayrischen Landesamtes für Umwelt

„Unter Neophyten werden Pflanzen verstanden, die direkt oder indirekt, bewusst oder unbewusst vom Menschen nach 1492, dem Jahr der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus, in Gebiete eingeführt wurden, in denen sie natürlicherweise nicht vorkamen.

Gebietsfremde Pflanzen, die bereits zu früheren Zeiten zu uns kamen, zum Beispiel mit dem Beginn des Ackerbaus in der Jungsteinzeit oder durch den Handel der Römer – wie beispielsweise die Esskastanie –, werden als Archäophyten bezeichnet.

Neulinge sind in unserer Pflanzenwelt nichts Neues. So wanderten die meisten Pflanzen nach der Eiszeit neu nach Mitteleuropa ein. In der Jungsteinzeit brachte der Mensch mit dem Getreide auch Ackerwildkräuter hierher, von denen heute viele auf der Roten Liste stehen. Die Vegetation Mitteleuropas ist geprägt von ursprünglich nicht einheimischen Arten.

Besonders nach der Entdeckung Amerikas und mit der immer stärkeren Zunahme des weltweiten Waren- und Personenverkehrs konnten viele gebietsfremde Arten bei uns Fuß fassen: Die Hälfte der bei uns etablierten Neophyten wurde dabei beabsichtigt eingeführt; die meisten davon als Zierpflanzen (insgesamt ca. 30% aller Neophyten), der Rest als land- und forstwirtschaftliche Nutzpflanzen (20% der Neophyten, bekannte Beispiele sind die Kartoffel, der Mais und die Tomate). Der Rest wurde unbeabsichtigt eingeschleppt, beispielsweise als ungewollte Beimischung beim Saatgut.

Nur wenige der Neulinge können in unserem Klima selbständig überleben und noch weniger dieser Arten sind hier ausbreitungsstark. Als Faustregel kann die so genannte „Zehner-Regel“ angewendet werden: 10% der eingeführten oder eingeschleppten Arten halten sich hier unbeständig (90% verschwinden also nach kurzer Zeit wieder), 10% davon können sich dauerhaft in naturnahen Lebensräumen etablieren, von diesen eingebürgerten Arten führen ca. 10% zu unerwünschten Auswirkungen." (aus Neophyten - gebietsfremde Pflanzen - LfU Bayern)


Gedanken...

Pflanzen, die als Neophyten bezeichnet werden, sind nicht per se schlecht. Mögliche Szenarien, wenn sie bei uns aufschlagen, sind...

  • Sie kommen teilweise besser mit den neuen Standortverhältnissen zurecht als unsere heimischen und können diese verdrängen ODER
  • Sie wachsen einfach miteinander ODER
  • Sie gehen wieder ein. Verschwinden so schnell und beiläufig, wie sie gekommen sind.

Archäologie
Einheimische Pflanzen werden jene genannt, die vor 1492 gekommen beziehungsweise solche, die während der Eiszeit NICHT aus unserer Region verschwunden sind!! Viele Pflanzenarten sind nämlich bereits bei uns gewachsen (siehe archäologische Funde), ABER auch wieder mit der Eiszeit verschwunden! Manche sind also Wieder-Kömmlinge“ und nicht neu ;-).

In jeder Fortbildung
werden Extremwetterereignisse, Klimawandel UND die Auswirkungen auf unsere heimischen Gehölze erwähnt. Es ist ein Thema, das alle bewegt und uns GärtnerInnen besonders, die wir mit Pflanzen, Boden, Wasser arbeiten und täglich Veränderungen, Engpässe bemerken - inwieweit und wie schnell sich unsere „heimischen“ Gehölze anpassen können.
Der Grundtenor, der sich, wie mir scheint, durchzusetzen beginnt, ist, dass es Sinn macht, sich gebietsfremde Pflanzen anzusehen und ihre Vorteile gegenüber der heimischen Art zu erkennen und zu schätzen. So gibt es auch Eschen, die vom Eschentriebsterben nicht betroffen sind. Darf man sie nicht setzen? Sie erfüllen den Zweck unserer heimischen, sind aber „Neophyten“.

In der Schweiz
müssen im öffentlichen Grün 80% heimische Pflanzen gesetzt werden (die Flora Helvetia gibt vor, welche das sind). Das ist aber mitunter fad für Menschen UND Insekten, denn unsere heimischen Pflanzen treiben früh aus, haben ihren Höhepunkt im Frühsommer erreicht und bauen dann ab. Die nordamerikanischen Pflanzen, Artverwandte der heimischen oder ganz andere Pflanzengruppen, treiben spät aus, haben ihren Höhepunkt im späten Hochsommer sowie weitere Nachblüten im Herbst. Sie verlängern also Blütezeit und Futterangebot - auch für „gute“ eingewanderte Insekten - ganz beträchtlich!

Neophyt UND Futterpflanze - Heimisch UND (manchmal) desaströs
So wie die Goldrute als Futterpflanze angenommen wird, ist sie eine interessante Ergänzung für unsere Insektenwelt. Dass sie dabei unsere einheimische verdrängt, ist aber auch richtig. Trotzdem erfüllt sie einen Zweck. Und doch würde ich sie nicht setzen, weil sie sich zu stark ausbreitet. Es gibt andere Pflanzen, vielleicht auch Neophyten, die besser sind. ;-)
Genauso wie keine Einheimische unhinterfragt in den Himmel gelobt werden sollte – in Irland wächst flächendeckend Ulex, der Stechginster, - diesen setzt sich dort niemand in den Garten, weil er extrem stachelig ist und sich invasiv ausbreitet!
Ein weiteres Beispiel ist Efeu - dieser in Kombination mit Trockensteinmauern ist das Todesurteil für letztere. (Sieht aber wiederrum gut aus ;-) - merken Sie es? Es ist ein Eiertanz! 

Zweckdienlich
Ich sehe bei der Auswahl der Pflanzen mal mehr, mal weniger streng auf meine Finger und hinterfrage die Pflanzen, die ich setze. Für den Zweck der Nahrung, des Aufenthaltes (Nisten, Schlafen) sollen sie gut geeignet sein – für Insekten und Säugetiere UND manchmal dürfen sie auch "nur" schön sein!

Der langen Rede kurzer Sinn und mir ein Anliegen ist also, dass bitte keine Pflanze vorab ausschließlich verdammt werden sollte, die das Mascherl „Neophyt“ trägt. 


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